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Gut zu wissen (2)
- für Fortgeschrittene -

Einige Notizen zu Begriffen in der Philosophischen Praxis

In der Philosophischen Praxis werden untenstehende, grundsätzliche Schlüsselbegriffe, oder je nach Problemstellung zumindest Teile davon, in einen systematischen Zusammenhang gebracht, indem sie auf der Ebene der Anwendung in Einzelfragen der Klienten erörtert werden.
So können sich Lebenskonzepte transformativ in sich stimmig entwickeln,
ohne gesellschaftliche Mechanismen zu vernachlässigen.

Klienten in Sinnkrisen fahnden gemeinsam mit dem Philosophen nach individuellen Sinnquellen: 
* Sind meine Lebensbereiche nachvollziehbar und stimmig? 
* Kenne ich die Konsequenzen und Effekte meiner Handlungen?
* Habe ich einen Kompass zur Ausrichtung meines Lebenswegs?
* Wo ist mein Platz auf dieser Welt, wo übernehme ich Verantwortung
– z.B. Familie, Freunde, Kollegen, Natur?

Schlüsselbegriffe:

Das Gute kann zunächst subjektiv wertend in rein technischen, ganz praktischen Kontexten als „das Funktionstüchtige“ oder als „das Nützliche“ interpretiert werden. In der Philosophischen Praxis bezeichnet das Gute das wesentliche Ziel ethisch sinnvollen Handelns, wobei der Handlungserfolg mit Maßstäben (z.B. Glück) gemessen werden kann. Oder sind anstatt des Ziels vielmehr die Handlungsvorsätze und die Handlungen selbst maßgebend?
Im Konfliktfall geht es meist um den Streit, wessen Gutes vorrangig berücksichtigt werden soll – eine Herausforderung für die Philosophische Praxis in Anbetracht der je unterschiedlichen Normsysteme.

Auch das Glück selbst kann als Handlungsziel ausgemacht werden, als Freude über eine gute Fügung (Glückhaben). Es beschreibt weiterhin als Glücklichsein ein Gefühl der Harmonie bzw. einen Zustand des inneren Einklangs von Wunsch und Befriedigung. Das Gefühl hat seine Ursache weniger in Glücksgütern (z.B. wirtschaftlicher Erfolg, ewiges Seelenheil, Gesundheit, Lustgewinn), sondern eher in der eigenen Glücksfähigkeit. Dies setzt eine gelassene Haltung voraus, der nie versagenden Unzufriedenheit zu begegnen sowie das Unabänderliche hinnehmen und damit zugleich nicht für jedes Scheitern Schuldige identifizieren zu wollen. Handeln ermöglichende und Scheitern akzeptierende Gelassenheit meint dabei weder „stoisch“ noch „apathisch“ noch „fatalistisch“.

Wichtig für die Philosophische Praxis ist eine grundsätzliche Bejahung der Wirklichkeit und die aktive Auseinandersetzung damit, dass die Welt gut ist – und zeigt, dass menschliches Leben in dieser Welt einen Sinn hat. Sinnerfahrung ist Glück. Bloß punktuelle Bedürfnisbefriedigung oder Bequemlichkeit verengen den Glücksbegriff. Und Fanatismus und Zynismus sind gar Glückskiller! 

Im Rahmen der Philosophischen Praxis kann Gerechtigkeit als moralische Forderung aufgefasst werden, die die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Menschen betrifft. Sie zielt bei unparteiischer Betrachtung darauf ab, einen fairen, allgemein annehmbaren Ausgleich zwischen den divergierenden Interessen der Beteiligten herbeizuführen. Gerechtigkeit bedeutet, niemanden willkürlich zu benachteiligen. Das heißt aber nicht, stets und unter allen Umständen alle Menschen gleich zu behandeln, sondern eher proportional nach dem Verteilprinzip „Gleichen Gleiches, Ungleichen Ungleiches“. Und genau da beginnt die Schwierigkeit, nämlich eine solche Asymmetrie anhand von relevanten Kriterien zu rechtfertigen!
In vielen Verteilungsfragen scheint daher statt einer „gerechten Lösung“ die Orientierung auf Suffizienz vorteilhaft, also ganz allgemein auf ein „Genug“, einen Verzicht auf „Mehr“ und Überfluss. Damit kann zumindest im praktischen Lebensvollzug tatsächlich ein anständiges, integriertes und erniedrigungsfreies Leben sichergestellt werden.

Und ganz wichtig: neben der unerbittlichen Maschinerie der Gerechtigkeit gibt es ja auch noch die Möglichkeit, die eigene Begrenzung anzuerkennen: durch Wohlwollen, durch Nachsicht, durch Verzeihung und durch Versöhnung.

Auch eine wechselseitig-symmetrische Wertschätzung in Form von Solidarität ist oft hilfreich; diese setzt allerdings einen zwischenmenschlich geteilten Wertehorizont und eine subjektive Bereitschaft voraus – und ist damit objektiv nicht einforderbar.

Fast schon bis zur Unkenntlichkeit als Modewort verkommen ist dasjenige der Nachhaltigkeit bzw. der Nachhaltigen Entwicklung in den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Hierbei geht es im Kern um gerechte Problemlösungen gegenüber den nachfolgenden Generationen, die außerdem zweckrational das im aufgeklärten, wohlverstandenen Eigeninteresse liegende Ziel der Erhaltung einer lebenswürdigen und lebenswerten Umwelt beinhaltet. Insofern werden hier Gerechtigkeits- als auch Klugheitsaspekte gleichermaßen berücksichtigt.

 

Ausgangspunkte:

Das Wohlbegründete und aus vernünftiger Reflexion Gewonnene wird hier generell übergreifend als „rational“ verstanden. Rationalität nimmt praktisch Bezug darauf, wie man die richtigen Mittel zu den Zielen, die man hat, wählen soll, wie man die Ziele bestimmen soll und wie man handeln soll, wenn man verschiedene, widerstreitende Ziele hat. Die Philosophische Praxis ringt um das Bemühen, die bestmöglichen Ergebnisse zu erreichen, die mit den eigenen Fähigkeiten erzielbar sind.

In der Lebensbeherrschung kommt zusätzlich die situationsgebundene, eher ratschlagende und kooperierende Klugheit ins Spiel. Hierbei geht es in der Philosophischen Praxis um besonnene Entscheidungen samt ihrer praktischen Umsetzung in der Haltung, sein Leben „gut“ zu führen. Um nicht zur bloßen Cleverness oder zur Gerissenheit zu werden, verlangt Klugheit, gewissen Regeln und Normen zu folgen – damit weder Eigenwohl noch Gemeinwohl zu kurz kommen.

Grundlage in der Philosophischen Praxis ist immer die äußere Freiheit des Klienten im Sinne von Handlungsfreiheit („Handeln-können“), in Ergänzung zur inneren Freiheit, die den freien Willen und die freie Entscheidung („Wollen-können“) bezeichnet. Dabei ist die Freiheitsausübung der Handelnden und den von der Handlung Betroffenen allenfalls wechselseitig beschränkt – wobei in Entscheidungssituationen nicht negiert werden kann, auch moralische Gesichtspunkte in Anschlag bringen zu können („moralische Autonomie“).

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